Accrochage #3

PRESSETEXT


Enrico Bach
Francis Berrar
Axel Geis
Gregor Hildebrandt
Tanja Huberti
Simon Kloppenburg
Khrystyna Rymsha-Davidov
Ralf Werner

Presse

Überherrn

Eine Galerie „ohne feste Bleibe“

Die dritte Auflage einer ungewöhnlichen Initiative, jetzt in Überherrn

Von Cathrin Elss-Seringhaus, 07.11.2014

Das Gemälde „Alte Freunde“ (2013) von Tanja Huberti nach einer Foto-Vorlage. Fotos: Immenga 2012 fing es in einem aufgegebenen Schlecker-Markt in St. Arnual an, jetzt zeigt die Kunsthistorikerin Silke Immenga beachtenswerte zeitgenössische Kunst in einer Industriehalle in Überherrn.

Nicht, dass das neu wäre: Aus Leerstand eine Kunst-Tugend zu machen. In den Großstädten läuft die Welle bereits seit Jahrzehnten. Hier zu Lande pflegten fast ausschließlich Professoren und Studenten der Saar-Kunsthochschule (HBK) diese schnellbootartige Galerie-Spielart. Insofern lässt es sich dann doch ungewöhnlich nennen, wenn eine einzelne Kunsthistorikerin auf diese Spur geht.

Erstmals 2012 stellte Silke Immenga (45) „Accrochage # 1“ in einem leer stehenden Schlecker-Markt in St. Arnual auf die Beine. Die Ehefrau des früheren Vorstands der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz zeigte sechs Wochen lang eine sehr subjektive Auswahl von zehn meist regional bekannten Künstlern. Im vergangenen Jahr wiederholte sie das Experiment. Reich wurde sie dabei nicht, sagt sie. Aber die Kosten für ihre Galeristinnen-Arbeit wurden gedeckt. Und deshalb nun also „Accrochage # 3“: diesmal fernab alles Urbanen, auf dem „Dorf“, in Überherrn. Der Künstler Francis Berrar lebt dort; er überlässt Immenga eine im Winter von ihm nicht als Atelier genutzte Halle eines ehemaligen Kalkwerks. Kalt ist es dort, karg – also beflügelnd anders als in den etablierten Galerien oder in Museen, wo Axel Geis oder Gregor Hildebrandt längst angekommen sind. Sie sind die arriviertesten Künstler in der neuen Immenga-Auswahl. Geis' geheimnisvolle figurative Malerei überstrahlt im ersten Moment dann auch alles andere. Sie löst in unserem Bildgedächtnis traumartig verschachtelte Mehrfach-Echos aus zwischen Goya, Manet und Clint-Eastwood-Western. Hungrig bleibt man demhingegen bei Hildebrandt, der nur mit einem einzigen Kleinformat vertreten ist. Die Magie seines charakteristischen Schwarz-Schillerns lässt sich hier nicht fassen.

Entdeckungen sind der eigentliche Reiz dieser kleinen Schau. So macht Immenga uns beispielsweise näher bekannt mit Tanja Huberti, die anonyme, oft historische Fotos als Vorlage nutzt und deren Patina durch eine mitunter extravagante Farbgebung in die Jetztzeit katapultiert, dicht an uns heran.

Die frappierendste Begegnung ergibt sich mit Simon Kloppenburg. Der Meisterschüler der Klasse von Gabriele Langendorf an der HBK Saar hat mit seiner Abschlussarbeit gerade den Scheid-Förderpreis der HBK gewonnen. Einen Teil der Installation zeigt Immenga. Außerdem auch „halten“ (2012), eine imponierende Arbeit. Kloppenburg holt uns hinein in eine private (Foto-)Szene. Die aparte Farb-Blässe seiner mit Lackfarbe (!) überzogenen Zeichnung steht in krassem Gegensatz zum „niederen“ Motiv: Jungs beim Schwenken, die Bierflasche in der Hand. Fröhliches Zechen? Zwei der Gesichter sind weggekratzt – der Einbruch von Zerstörung, Schrecken, auch von Zeit in Leben. Kein Thema, kein Material, kein Stil eint diese Auswahl, in der dem fabelhaften Linien- und Farben-Feierer Francis Berrar zu Recht ein eigenes Kabinett gehört. Trotzdem lässt sich eine Verbindungslinie ausmachen. Alle Künstler praktizieren in einer ausgeklügelten, anspruchsvollen, ganz individuellen Technik. Von Immenga lässt sich darüber viel erfahren. Morgen, 14 bis 17 Uhr, Differter Str. 26,Überherrn. Fr bis So, 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung. Kontakt: info@accrochage.org; Künstler: Enrico Bach, Francis Berrar, Axel Geis, Gregor Hildebrandt, Tanja Huberti, Simon Kloppenburg, Khrystyna Rymsha-Davidov, Ralf Werner

© 2014 Accrochage - Silke Immenga